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Die Hochzeit von Auschwitz - Kleidung aus literarischem Stoff.

Am 11. Januar 2017 präsentierten Marion Spilka, Nadine Schleicher und Simone Kuchernig, Schülerinnen der Modeschule Hallein, im Jungen Literaturhaus Salzburg im Rahmen von zwei Werkstattgesprächen mit dem Autor Erich Hackl die Prototypen ihrer Diplomarbeit zu „Die Hochzeit von Auschwitz. Eine Begebenheit“. Das Junge Salzburger Literaturhaus unterstützte dieses Projekt, in dem es darum ging, Kleidung aus literarischem Stoff zu gestalten, als Kooperationspartner.

Keine der Schülerinnen hätte sich vor über einem Jahr beim Projektstart gedacht, dass sich am 11. Jänner 2017 tatsächlich die Gelegenheit ergibt, die textilen Prototypen der Diplomarbeit, das Hochzeitshemd und das Flamencokleid, zu „Die Hochzeit von Auschwitz. Eine Begebenheit“ tatsächlich mit dem Autor Erich Hackl selbst auf einer Bühne des Jungen Literaturhauses Salzburg zu präsentieren. „Wir haben uns riesig gefreut und es ist uns eine große Ehre heute in Anwesenheit von Herrn Hackl unsere Diplomarbeit bzw. die textilen Modelle zur präsentierten“, berichten die drei Modeschülerinnen vor Beginn der Veranstaltung ganz aufgeregt. Doch der bekannte Schriftsteller ließ es sich nicht nehmen, persönlich im Rahmen dieses „Werkstattgespräches“ dabei zu sein und die Arbeit der jungen Modetalente zu begutachten. Er zeigte sich begeistert von ihrer Kreativität und ihrer textilen Interpretation und gewährte selbst spannende Einblicke in sein Werk.

Der Autor Erich Hackl versorgte alle anwesenden Schüler/innen mit wissenswerten historischen und literarischen Details während die Modeschülerinnen einen Einblick in ihre textile Interpretation des Werkes gewährten. Das mit Stacheldraht und Rose bestickte Hochzeithemd und ein Flamencokleid sollen an die am 18. März 1944 auf dem Standesamt von Auschwitz geschlossene Ehe zwischen dem Österreicher Rudolf Friemel und der Spanierin Margarita Ferrer y Rey erinnern.

Eine Diplomarbeit an der Modeschule Hallein besteht aus einem schriftlichen Teil sowie der Fertigung textiler Prototypen. Als Fächerkombination haben Marion Spilka, Nadine Schleicher und Simone Kuchernig „Deutsch“, „Designtheorie“ und „Fertigungsverfahren und Verarbeitungstechniken“ gewählt. Voraussetzung ist die Zusammenarbeit mit einem externen Kooperationspartner – in diesem Fall mit Herrn Fuschlberger vom Literaturhaus Salzburg, ohne seine Unterstützung wäre die Realisierung dieser Idee nicht möglich gewesen.

Hackl 1klNadine, Marion, Simone, Erich Hackl, Andrea Luckart (Projektleitung Modeschule Hallein),Peter Fuschelberger (Literaturhaus Salzburg, n.a.B.)

Die Idee für die Diplomarbeit zu dem Buch „Die Hochzeit von Auschwitz“ ist im Klassenzimmer entstanden. Die Modeschülerinnen ließen sich auch von den vielen Erzählperspektiven nicht abschrecken, denn zuerst war es wirklich nicht einfach, diese außergewöhnliche Geschichte eines jungen Paares zu verstehen, doch das Werk zog die drei Schülerinnen in ihren Bann und war somit die Ausgangsbasis für eine überaus spannende Diplomarbeit.   Die schriftliche Arbeit besteht aus einer Charakteristik von Rudi Friemel, Margarita Ferrer Rey und ihrer Schwester Marina sowie aus einem Überblick über das literarische Werk von Erich Hackl. Natürlich werden auch die beiden textilen Modelle in der Arbeit umfangreich beschrieben – die Fertigung selbst, inkl. der Details wie die Volants, die Rüschen, die Stickerei und die Spitze. Darüber hinaus erhält man auch Einblick in die spanische Mode, in die Mode der 40er Jahre, in die Symbolik von Stacheldraht und Rose und in die Farbe Schwarz, denn in Spanien sind Hochzeitskleider traditionell nicht weiß. Auch die Kennzeichnungssymbole und die Kleidung von KZ-Häftlingen werden in der Diplomarbeit thematisiert. Diese Kleidung sollte demütigen, entblößen und gleichschalten. Ihr Ziel war es, Identität und Individualität zu zerstören.

Ein textiles Werkstück lag von Anfang an auf der Hand - das in Erich Hackls Buch beschriebene Hemd sollte genäht werden. Aber was sollte als zusätzliches Modell umgesetzt werden? Da das im Buch beschriebene Kostüm der Braut für die Diplomarbeit nicht passend erschien, fiel die Wahl auf ein Flamencokleid, um die spanische Identität der Braut einzufangen. Somit entfernten sich die Schülerinnen in diesem Punkt vom Text, vielleicht auch, um ein bisschen mehr Freiheit zu gewinnen, das auszudrücken, was sie in der Auseinandersetzung mit dem Buch erfuhren. Eine klitzekleine Facette jenes Landes, das im Kampf gegen den putschenden General Franco von den Internationalen Brigaden unterstützt wurde, denen sich auch Rudi Friemel damals angeschlossen hat. Diese Erfahrungen sollten nicht in ein Kostüm gezwängt werden.


Hackl 2.kl

Das spanische Flamencokleid und das Hochzeitshemd

In der Verfilmung des Buches „Abschied von Sidonie“ gibt es eine Szene, in der die Küche der Familie Breirather auf den Kopf gestellt wird. Dabei wird ein Stickbild mit der Aufschrift „Freundschaft“ von der Wand gerissen – ein Begriff, der für die meisten heute nicht mehr unbedingt mit Sozialismus verbunden wird, aber in der Tradition der Sozialdemokratie Symbolkraft hat. Das brachte die Schülerinnen auf die Idee, auf der Innenseite ihrer Prototypen Worte einzusticken. Aber welche? Die Entscheidung fiel schließlich auf einen Satz aus einem Brief von Rudi Friemel, den er kurz vor seiner Hinrichtung an seine Frau Marga Ferrer geschrieben hat, der in der Manschette des Hemdes beginnt - „Und jetzt hat das Schicksal uns ereilt…“ – und mit „ …wie Millionen andere vor uns“ im Volant des Kleides endet. Der Grundgedanke dabei war, nicht nur auf das individuelle Leid der beiden, sondern auch auf jenes der anderen Opfer des 2. Weltkrieges zu verweisen.

Auf dem Kleid befindet sich eine echte spanische Spitze, auf dem Hemd sieht man eine Kombination von Druck und Stickerei, die sich natürlich von der im Buch beschriebenen Rosenstickerei am Kragen entfernt. Der Stacheldraht wurde im 20. Jahrhundert zum Symbol für Unrecht und Grausamkeit. Zum Symbol für Menschenrechtsverletzungen und unbeschreibliches Leid. Diese Menschenrechtsverletzungen spielten sich in Konzentrationslagern hinter Stacheldraht ab. Und dort, wo so viel Unmenschliches stattgefunden hat – in Auschwitz – wurde tatsächlich am 18. März 1944 eine Ehe geschlossen. Schade, dass Rudi und Marga ihre Liebe nicht weiterleben durften. Schade, dass sich diese Rose als Symbol ihrer Gefühle vom Stacheldraht nicht mehr befreien konnte. Das Hemd soll daran erinnern.

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Erich Hackl gibt Einblick in die Hintergründe seiner Geschichte

Den Modeschülerinnen Marion Spilka, Nadine Schleicher und Simone Kuchernig ist somit eine überaus spannende Auseinandersetzung mit Erich Hackls „Die Hochzeit von Auschwitz. Eine Begebenheit“ gelungen, die zeigt, dass Kleidung literarischen Stoff sehr gut zum Ausdruck bringen kann und auch ein Statement zu gesellschaftlichen und politischen Missständen sein kann.


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Marion, Simone und Nadine präsentieren ihre Diplomarbeit

Fotos/Text: HLM Hallein


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